Unsere engere Heimat, das größte zusammenhängende Abbaugebiet für Braunkohle um die Mitte des 19. Jahrhunderts

von Horst Wolfgarten

Leopold Bleibtreu war eine bedeutende Persönlichkeit unseres Ortes. Sein Name ist untrennbar mit der Kohleförderung in unserem Gebiet verbunden. Einen kurzen Überblick über sein Schaffen fiinden Sie hier.

Braunkohleabbau und Alaungewinnung auf der Hardt

In seinem Buch "Das Siebengebirge und seine Umgebung" beschreibt der Geologe Zehler im Jahre 1837 das Plateau zwischen Holtorf und Vinxel mit seinen üppigen Kornfeldern. Er ist begeistert von dem freien Blick auf Godesberg und Bonn. In blauer Ferne ragt der alte kolossale Dom zu Cöln über die Häusermeere der Stadt zwischen vielen Türmen empor und rechts blickt die Abtei Siegburg von ihrem Felsen herab auf die Sieg". Der Hang nach Oberkassel hin war nur mit Buschwerk bewachsen, ..nur vereinzelt steht ein hoher Baum". Die Felder und Wiesen der Holtorfer Bauern reichten bis zur Oberkasseler Straße, in die Nähe des Waldcafés, und bis auf wenige hundert Meter auf Holzlar heran.

Im Gegensatz zu der Idylle auf der Ebene war hier allerdings landwirtschaftliche Nutzung nur noch an wenigen Stellen möglich: Dieses Gelände war durch den Kohleabbau bereits erheblich durchfurcht und zernarbt.

Schon vor der Jahrhundertwende war, besonders in der Umgebung von Hoholz, Braunkohle in geringem Umfang gefördert worden. Seit Bleibtreu um das Jahr 1807 in der hiesigen Kohle jedoch Alaun feststellte, hatte sich in wenigen Jahren ein für damalige Verhältnisse beachtlicher Industriezweig entwickelt, der einigen hundert Menschen Arbeit bot.

Alaun war ein wichtiges Hilfsmittel in der Tuchfärberei, Gerberei und Medizin und musste zu hohen Preisen, Überwiegend aus Lüttich importiert werden.

Es entstanden im Abstand weniger Jahre ein Alaunwerk in der Nähe der heutigen Forschungsstelle, bei Holzlar und an der "Fuchskaule" westlich von Niederholtorf.

Die Besonderheit des in weiten Bereichen 4 m mächtigen Kohleflözes bestand darin, dass die untere Schicht von ca. 1,50 m aus schwefelkieshaltiger, toniger Kohle bestand. Sie war der Grundstoff der Alaungewinnung. Hierüber lag eine sehr hochwertige Kohle mit einer Mächtigkeit von ca. 1, 10 m. Sie bestand fast ausschließlich aus noch aufrechtstehenden, oben meist abgeknickten Baumstämmen mit einem Durchmesser von bis zu drei Metern, an denen sich von Wassermassen angeschwemmte Hölzer gestaut hatten.

Im Jahre 1848 führte Professor Göppert von der Universität Breslau anlässlich einer Studienreise ins Rheinland Untersuchungen an der hiesigen Kohle im südlichen Abbaugebiet des Hermannstollens zwischen dem heutigen Friedhof und dem Ankerbach durch. Er stellte verschiedene Zypressenarten fest, die anhand der noch zu erkennenden Jahresringe ein Alter von bis zu 700 Jahren aufwiesen.


Unten links die Jägerschen Mutungsfelder Sabina, Johann Baptist, Wendelinus und Deutsche Redlichkeit mit einer Gesamtgröße von ca. 150 ha. Im Anschluß daran N.O. unter "Bleibtreu cons" die 70 meist kleinern Mutungsfelder von Bleibtreu.

Die obere Schicht des Kohleflözes bestand aus Kohle mittlerer Qualität. Die alaunhaltige Kohle wurde abtransportiert und in der Nähe der Alaunwerke auf Halden gekippt. Dort erfolgte nach einiger Zeit eine gesteuerte stille Verbrennung. Der Ascheanteil war mit 30% sehr hoch. Aus dieser wurde dann der ca. 15%ige Alaunanteil ausgewaschen und in riesigen Kesseln von 3.200 Ltr. bis zu einer Dichte von 1,32 eingedampft. Nach Zusatz von Hilfsmitteln erfolgte dann das Auskristallisieren des Alauns. In den Jahren der höchsten Produktion wurden bis zu 30.000 Zentner in den drei Werken erzeugt, pro Arbeitstag ca. 100 Zentner! Hierfür waren folglich ca. 30.000 Tonnen alaunhaltige Kohle als Grundstoff erforderlich. Die anfallende rote Asche von bis zu 9.000 Tonnen jährlich wurde in der Nähe verkippt (s. Umfeld an der Forschungsstelle für Jagdkunde).


Alaunhütte (Heute Forschungsstelle für Jagdkunde - rechtes Gebäude)

Die Eindampfung der Alaunrohlauge in Kesseln war sehr aufwendig, da hierfür ca. 15.000 Tonnen hochwertige Braunkohle benötigt wurde, die als Verkaufsware fehlte. So erfolgte um das Jahr 1849 die Eindampfung mittels Kohlevergasung. Hierfür konnte die ansonsten wertlose Feinkohle verwendet werden, die beim Abbau und durch Transport anfiel: Ein brennendes Luft-Gasgemisch zog über ein längliches Becken mit einem Inhalt von 16.000 Liter. Es war durch ein flaches Gewölbe abgedeckt. So wurde die Lauge von oben her erhitzt und eingedampft. - Erst zu dieser Zeit wurden die umfangreichen Gebäude mit einer Fläche von ca. 700 qm erbaut, da dieses Verfahren nur in geschlossenen Räumen m möglich war. (Bleibtreu errichtete dieses Werk etwa 100 m westlich der Alaunhütte I an der heutigen Forschungsstelle. Werk II wurde nicht modernisiert und in geringerem Umfang nach dem alten Verfahren betrieben).

Für einen gleichmäßigen Abzug der Abgase und des freiwerdenden Dampfes sorgte ein gewaltiger Kamin mit einer Höhe von Über 20 m (s. Reste an der .. Fuchskaule "). Mit ziemlicher Sicherheit hat die Flurbezeichnung "Am Kamin" durch den Anblick desselben ihren Ursprung. Kein Baum verhinderte zu dieser Zeit den Blick auf das gesamte Alaunwerk.

An den Hängen zum Ankerbach, nach Pützchen und Holzlar hin, wurde der Abbau der Kohle in den unteren Bereichen bei geringer Abdeckung von wenigen Metern im Tagebau, in höherer Lage im Kuhlenbau betrieben. Hier wurde ein Schacht angelegt und die in 8 bis 10 m Tiefe liegende Kohle in einem Durchmesser von ca. 8 m geborgen. Danach ließ man einen Sicherheitsabstand von wenigen Metern und grub dann den nächsten Schacht.

Doch bei diesem System waren die Kosten für die Anlage der Schächte im Verhältnis zur geförderten Kohle sehr hoch. Auch war das im Kuhlenbau abgebaute Kohlefeld für landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr geeignet, so daß diese Flächen aufgeforstet werden mußten.


Preußische Uraufnahme 1845
S: Schachtanlagen, L: Lorenbahn, V: Verbrennungshalden der Alaunkohle, M: Mühle Holzlahr

Etwa ab 1835 begann dann auf dem Plateau im Bereich der Linie Holtorf-Hoholz-Stieldorf-Vinxel bis hin zum Rheinhöhenweg der großflächige Untertagebau mit "Rückbau". Zwei jeweils ca. 100 m auseinander liegende Schächte wurden durch einen gut verbauten Stollen verbunden. Von diesem aus wurden im Abstand von ca. 8 m im rechten Winkel meist einfache, gewölbte Seitenstollen von ca. 70 m Länge in die Kohleschicht getrieben. Dann wurde das Kohlefeld vom hinteren Ende an abgebaut. Man ließ nur wenige Kohlepfeiler zur kurzfristigen Sicherheit stehen. Je nach Qualität der Kohle wurden ca. 2 - 3 m abgebaut, für die Hauer eine angenehme Höhe. Schubkarrenfahrer transportierten die Kohle dann oft 100 m weit untertage zu den Schächten, wo sie von zwei Männern an der "Haspel" in Körben hochgefördert und sogleich in bereitstehende Loren gekippt wurden.

Dieser einmalige Abbau war fast nur in unserer Gegend möglich, da hier über der ca. 12 m tief liegenden Kohle eine gewaltige Tonschicht lagerte, die ein jähes Absinken und eine Gefährdung der Bergleute verhinderte. Erst nach einiger Zeit senkte sich der Boden entsprechend der unten entnommenen Kohle. Es blieben keine nennenswerten Hohlräume. Zu keiner Zeit wurden, abgesehen vom Verfüllen der Schachtanlagen, irgendwelche Verfüllungen der Hohlräume vorgenommen.

Aufgrund dieses strukturellen Vorteils waren die Kohlefelder innerhalb der Linie Stieldorf-Hangelar-Pützchen-Rheinhöhenweg und Vinxel das größte zusammenhängende Abbaugebiet im Rheinland um die Mitte des vorigen Jahrhunderts. Die jährliche Gesamtförderung lag bei etwa 50.000 Tonnen.

Das Alaunwerk an der "Fuchskaule" wurde vom Unternehmer Jäger betrieben. Seine Kohlefelder lagen westlich des Ankerbaches und in dessen Verlängerung bis nach Vinxel hin und erstreckten sich bis zum Rheinhöhenweg.

Der größte Teil der schon erwähnten Gesamtfläche war im Besitze der Familie Bleibtreu. Die Abbaurechte wurden beim Bergamt in Bonn gegen entsprechende Gebühr vergeben. Die genau abgegrenzten Mutungsfelder hatten Namen wie Sabina, Deutsche Redlichkeit, Pilikan, Leopoldsgrube und Abrahamsfeld. Bleibtreu alleine besaß 70 einzelne Mutungsfelder!

Grenzstein des Kohlefeldes Pilikan, zwischen Ankerbach und "Am Herrenacker"

Reste des Alaunwerkes an der "Fuchskul".

Die Spitze des Kamins mit einem Durchmesser von 2,15m und die Eingangssäulen des Hallengebäudes. Der an diesen Teilen verwendete besonders feste Mörtel ließ ein Herausbrechen der Ziegelsteine nicht zu.

Der Abbau der Kohle war jedoch nur in Verbindung mit der Alaunproduktion rentabel. Als ab 1863 Alaun aus anderen Grundstoffen wesentlich günstiger angeboten wurde, sank die Produktion schlagartig und wurde 12 Jahre später ganz eingestellt.

Die beiden Grubenbesitzer hatten ihre Hütten 1853 in den Bonner Bergwerks- und Hüttenverein eingebracht.

Besonders durch die Aktivitäten von Dr. Hermann Bleibtreu entstand durch diese Gesellschaft die Zementfabrik in Oberkassel. Hierdurch, aber auch durch den einige Jahrzehnte andauernden Abbau von Toneisenstein, konnten die verlorengegangenen Arbeitsplätze erhalten bleiben. Dieses nestartig auftretende faustdicke und nierenförmige Roheisen wurde meist im Tagebau gewonnen. Besonders an den Hängen des Plateaus lagerte es (oft oberhalb von Kohleschichten) in einer Tiefe von wenigen Metern.

Es wurde alsdann in gemauerten Öfen (s. Abb.) vorgeröstet, so daß Tonteile und Wasser abgetrennt wurden. Das gewonnene Eisenerz wurde dann zur Verhüttung verfrachtet.

Nach Küdinghoven hin lagen die Mutungsfelder "St. Henry" und "Foveaux", oberhalb von Pützchen "Schröder", um das Schloss Birlinghoven "Engelsbertsglück", nach Römlinghoven hin "Johann Babtist" und am oberen Ankerbach "Eva Glück".

Zum Schluss stellt sich die Frage, warum die hier beschriebenen Ereignisse im wesentlichen unbekannt sind.

In dem Standardwerk "Das Bergrevier Brühl-Unkel" aus dem Jahre 1897 wurde auch unser Gebiet auf einigen Seiten erwähnt. Jedoch sind einige wichtige Mengenangaben derart falsch dargestellt, dass die Wirtschaftlichkeit des gesamten Unternehmens vollkommen unbegreiflich erscheint, so dass jeder, der später darüber berichten wollte, eher resigniert aufgab und eben nicht die in dem Werk angegebenen Originalquellen erforschte.

Besonders aber den Einwohnern von Niederholtorf mögen die äußeren Umstände der Alaunproduktion sehr zuwider gewesen sein, so daß sie bereit waren, all dieses schnell zu vergessen. Die fast ununterbrochen glühenden Verbrennungshalden der Alaunkohle in ca. 600 in Entfernung zum Ortsrand erzeugten durch den Schwefelgehalt einen bestialisch stinkenden gesundheitsschädlichen Qualm.

Für manche Holtorfer mag es eine späte Genugtuung gewesen sein, dass er Ziegelsteine aus den stillgelegten Werken für Haus- oder Stallbau abtransportieren konnte.

Besonders die 1927 errichtete erste Kirche in Niederholtorf wurde mit diesen Steinen gebaut.


rot: Eisenerz (Toneisenstein), orange: Blätterkohle, braun: Braunkohle, grau: Basalt


Auf dieser Fläche von ca. 15 ha ist der unterirdische Abbau durch die später erfolgte Absenkung einschließlich der Schachtanlagen besonders gut zu erkennen. Unter der Stieldofer Straße befand sich in einer Länge von ca. 150m ein gut verbauter Seitenstollen des Kohlefeldes "Deutsche Redlichkeit", von dem aus hier der Abbau im "Rückbau" stattfand.


Kohleförderung im Bereich Holtorf-Vinxel um 1845

Die Gesamtförderung der Betriebe Bleibtreu und Jäger im Gebiet innerhalb der Linie Stieldorf, Hangelar, Pützchen, Casseler Ley und Vinxel betrug um 1840...1860 bis zu 50.000t pro Jahr (66 Pferdefuhrwerke pro Schicht).


Wegen starken Zerfalls wurde das Denkmal 1973 auf dem Gelände der Zementfabrik vergraben.

Der "Rückbau"


Kohlewagen mit den Holtorfer "Bergleuten" beim Geschichtsfest am 24.5.1998 auf dem Bonner Markt. In der Mitte drei besonders interessierte Besucher: Urenkel von Leopold Bleibtreu v.l. Prof. Ulrich Nonn, Brigitte Breitgraf und Edit Hoschützki, geb. Schmidt-Bleibtreu. Foto: H.J. Breitgraf.


Benutzte Literatur:

Bleibtreu, Hermann: Abdampfen der Alaunrohlaugen mittels Braunkohlengas, Berlin, 1850
Dechen, Heinrich von: Beschreibung des Kuhlen- und Tummelbaues in dem Brühler Braunkohlenrevier, Carstens Archiv Berlin 1831
Göppert, H.R.: Monographie der fossilen Coniferen, Leiden 1850
Über die Flora der Braunkohlenformation und die der Rheinlande insbesondere, Berlin 1850
Heusler, C.: Das Bergrevier Brühl-Unkel, Bonn 1897
Zehler: Das Siebengebirge und seine Umgebung, Krefeld 1837
Zeitschrift für das Berg-Hütten und Salinenwesen in dem Preussischen Staate, Berlin 1855 und 1856

Eine Vielzahl von Anregungen und Unterlagen erhielt ich von Herrn Helmut Hausmann, Schulamtsdirektor beim Schulamt f u- r den Rhein-Sieg-Kreis und passionierter Heimatforscher im Großraum Hennef.

Ein besonderer Dank gilt auch Herrn Werner Schultheis, Ltd. Berg Dir. a. D., der mir bei vielen Fragen freundschaftlich zur Seite stand.

Horst Wolfgarten